Ankommen, dort bleiben, eintauchen und erst im Winter wieder von dannen ziehen. Der Kern unserer Reise. (Versuch einer grünen Reise, Kapitel 15, 02.04.16 – 20.05.16)

Piedra Parada taucht harmlos aus der üblichen Steppe hinter dem Andengürtel auf. Im Vorfeld Felsen, ja, aber nichts ohrenbetäubendes, schrottig eher sieht es aus, und dann dieser Zapfen der „aufgestellte Fels“, ein Vulkanabkömmling, ausgewaschen, umwaschen, stehen geblieben, einfach so in den niedrigen Sträuchern. Über 200m hoch. Im diesigen Licht dieses Nachmittags zeichnet er sich kaum gegen die dahinterliegenden Felsen ab und wir erkennen ihn erst, als wir schon direkt davor stehen. Der Canyon dahinter im Ansatz ersichtlich, scharf eingeschnitten und ocker.

Alles recht harmlos, ist ja auch Routenklettern, Boulderqualität soll das Gestein selten haben. Routenklettern mit den Kindern nicht wirklich eine Option für länger, wir sprechen von ein paar Tagen Aufenthalt und dann auf nach Norden.

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Erste Szenen in Piedra Parada. Nicht nur für die Kinder überzeugend.

Als wir die Türen des Busses auf dem Wildcampingplatz öffnen, direkt unter der Piedra, Marko Anarcho-Camp à la Siurana, nur 20 mal größer, beginnt die erdichtete Harmlosigkeit schnell ihre Hüllen fallen zu lassen, um die darunterliegenden Kurven zu entblößen. Süßlich umdringt uns Geruch aus abertausenden trockenen Calendulablüten und Honig ist keine verwirrte subjektive Interpretation der Lage, sondern wohl eher das kollektive Gedächtnis des Orts. Türkisch wird dieser Süßstoff werden in seiner Wirkung über die nächsten Tage.

Was nicht in allererster Linie an den Felsen liegt. Die sind zwar tatsächlich schön, der Canyon mitunter hinreißend gigantisch (oben) und flanierend flach (unten), aber die Gesteinsqualität ist einem Petzl-Rocktrip, wie er hier 2012 stattfand, nicht überall würdig. Eigentlich nirgendwo. Die Gesteinsformen, das größenwahnsinnigen Waben, die Löcher, Leisten und Sloper allerdings schon. Das meiste ist Ausdauerkletterei, ich habe dementsprechend Angst um meine Maximalkraft, nichts tötet das Explosive der Muskeln mehr als eine Sintflut aus Laktat. Ich bleibe zurückhaltend. Auch ist es zu den hintersten Sektoren recht weit. 40min ohne Kinder. 4km einfache Strecke. Nicht das, was man im Familienurlaub sucht.

Was schon an dieser Stelle türkischem Honig gleich beginnt uns abhängig zu machen, ist vielmehr der Flair außen herum. Die kleinen Camps unter den herbstlich werdenden Bäumen, Feuerstellen, rußige Töpfe, beschnitzte Baumstämme und im hier nicht mehr ernstzunehmenden Wind sachte schaukelnde Proviantkisten. Alles offen, die Zelte, Autos, alles zugänglich im Land, vor dem man uns so viel warnte, Argentinien. Angst ist ein Witz, der sich rasend schnell von Ohr zu Ohr und Forum zu Forum verbreitet, während ereignislose Normalität nicht berichtenswert scheint. An dieser Stelle also noch einmal zum mitschreiben: Verglichen mit dem Süden Europas ist der Süden Südamerikas vollkommen safe. Selbst in der Schweiz brechen sie dir eher das Auto auf, als hier. Und helfen dir viel weniger wahrscheinlich.

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Die Laguna Zeta oberhalb von Esquel. Noch ist der erste Schnee nicht in Sicht.

Zum sorglosen Ambiente tragen desweiteren der nahe Rio Chubut (0-5m weit weg), die Abwesenheit jeglicher Straße und offene, unbeschattete Landschaft, die jetzt im Herbst einen eindeutigen Wärmevorteil bringt, bei. Vor allem aber sind es die Menschen, die den Unterschied zu allen anderen Orten unserer bisherigen Reise machen. Kletterer, natürlich, Europäer zuhauf, aber noch mehr Südamerikaner und dementsprechend eine noch einmal deutlich entspanntere Atmosphäre als in Katalonien oder Südfrankreich. Jeder teilt alles mit jedem, Kletterpartner finden sich vollkommen problemlos und selbst mit grottig spanisch sprechenden Menschen wie mir, sucht man geduldig den Austausch. Ich fühle mich nach nach einer Dekade mit im Schnitt drei bis vier Monaten pro Jahr in irgendwelchen Höhlen, Bussen, zuletzt einem Uraltwohnwagen, wieder zuhause. Und es ist sogar noch einmal mehr roots, als in meinen besten Tagen zu Beginn dieser Dekade. Mehr als zuhause demnach.

Das Problem mit den Ausdauerrouten ist ebenfalls lösbar, leider ganz hinten in der Schlucht finde ich ein 20m Projekt mit vor allem einem schweren Boulder ganz oben. Für Piedra Parada sehr gutes Gestein, mittelsteil, mitunter kleingriffig, technisch und innovativ in der Bewegungen. „8c?“ steht im Führer, aber damit dürfte die Sache nicht viel zu tun haben, wie sich schnell herausstellt. Dani Andrada schaffte es nicht einmal zur Kette, erzählt man sich, und Dave Graham winkte schnell ab. Sie hatten allerdings eins nicht, was ich habe: Zeit und Geduld (und in Danis Fall: Boulderstrom) und folglich beschließe ich vorerst einmal dran zu bleiben an diesem Stück Fels. Die ersten zehn Meter scheinen so auf knapp 8a hinauszulaufen, dann ein recht guter Ruhepunkt und in der Folge etwas, das, wenn man den „lokalen“ Vergleich sucht, am besten mit der Schwierigkeit der 8B Boulder in El Chalten zu beschreiben ist, die ich dort geklettert und versucht habe. Die 8A und 8A+ waren auf jeden Fall deutlich leichter. Insgesamt geht es also vermutlich um eine erstaunlicherweise noch immer vakante Trophäe auf diesem Erdteil: die erste 9a.

Würde ich schon mitnehmen, auch wenn das hier eine Boulderreise ist.

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Azul es el cielo de los ciegos wird sie eines Tages heißen. Blau ist der Himmel der Blinden.

Wir beschließen also, uns mit Essen für die nächsten drei Wochen einzudecken, die Cuts aus Villa Llanquin ausheilen zu lassen, dafür zwei Tage nach dem 140km entfernten Esquel zu fahren, und dann uns dann in aller Ruhe im Anarcho-Camp hoch zehn einzunisten. Dort treffen uns zunächst die ersten harten Nachtfröste bis minus fünf Grad und dann auf dem Rückweg die harte Hand der harten Rüttelpiste: eine Reifenpanne bei knapp 100km/h. Der Sprinter hält die Spur jedoch ohne Probleme, nur der Reifen ist vollkommener Fledder. Mit unserem Schrottwerkzeug bekommen wir eine eingesandete Mutter nicht los, dafür gelingt es mir ohne Einsatz der Füße das Schraubenschlüsselkreuz (oder wie man das nennt) nicht nur zu verdrehen, sondern am Ende gar zu sprengen. Stolz und Resignation mischen sich zu einer nächtlichen Stimmung (es ist 23:30Uhr und außen herum ist nur noch Nirgendwo), die eindeutig nach einer Flasche Bier und vermutlich einer Nacht an Ort und Stelle verlangt.

Knapp vor dem Öffnen der Flasche trifft dann allerdings die örtliche Polizei ein und erbeutet das Problem. Mit einer Freundin zusammen haben wir insgesamt zwei attraktive Frauen und zwei Babys an Bord, Hilfe von Männern ist folglich fraglos zu erwarten. Sie bekommen schon einmal das Rad ab, haben auch einen besseren Wagenheber als wir, der aber auch nicht für den Hub reicht, um das neue Rad wieder zu montieren. Das Problem ist nicht neu, nur verliefen unsere bisherigen beiden Platten immer auf sandigen Straßen, auf denen wir den nötigen Raum einfach abgraben können. Die brettharte Piste zeigt sich da deutlich beständiger. Die Rettung (ein Hammer, Schaufel, etc. helfen alle nichts) schlüpft schließlich in Form meiner Bohrmaschine aus der Kletterkiste. Wie ein Wilder gehe ich auf den festgebackenen Schotter los und zwei (wenn auch recht leere) Akkus später ist das Loch, das wir brauchen, gegraben. Bleibt nur noch das Problem der gerissenen Bremsleitung, aber wer braucht schon Bremsen auf den endlosen Pisten der Pampa? Als wir den Polizisten erklären, dass unser Bus eigentlich kugelsicher sein sollte, zückt er seine Waffe, zielt auf die Fenster und ruft: „Soll ich?“

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Unterwegs in den schrottigen Weiten der Pampa.

Es ist Ende April, in der Mitte des Kontinents regnet es Autos, Dachziegel und Hektoliter, in Patagonien bleibt es ruhig. Vier Monate sind wir jetzt hier und beginnen uns mit der Landschaft und den Menschen zu verzahnen. Eigentlich wollten wir in diesen Tagen auf dem Altiplano eintreffen, lernen hier aber immer mehr Leute kennen und ich endlich, nachdem ich zehn Jahre immer wieder in Spanien und jetzt hier gewesen bin: Spanisch! Unglaublich. Auf einmal kann ich es, fast wie im Fernsehen, aber mit etwas mehr Logik dahinter natürlich. Leidlich verstehen tue ich es schon länger und sprechen kann man es quasi genau wie Französisch. Mit ein bisschen anderem Vokabular.

Auch das Projekt schreitet voran, mit der Zeit allerdings wird der malerische Weg zum Sektor durch die Schlucht doch etwas lang für oder mit den Kindern. Auch der Herbst und das Ende der trockenen Jahreszeit rücken, wenn auch eher in theoretischer Weise, immer näher und irgendwann wird es dann Realität: Regen. In fünf Monaten waren wir mit nicht einmal fünf nassen Tagen durchgekommen, jetzt erwischt uns Anfang Mai eine erste durchregnete Woche. Das Ambiente verschiebt sich schnell. Kaum noch Kletterer, auf einen nachfrostigen Schlag keine Blätter mehr an der großen Platane und ihren Kindern, die das Herz des Camps ausmachen, und feuchte Bedingungen im Canyon. Kurz vor dieser Woche komme ich schon einmal sehr nah heran an den Durchstieg, vielleicht nur weil ich den Haken inmitten der Crux klippe, statt einen sehr weiten Abgang zu riskieren, reicht mir die Kraft nicht, um den letzten schweren Vierfachzug inklusive Einfingerkuppenloch zu vollenden. Trotz Regen bin ich also hemmungslos optimistisch. Wie immer.

Die oben geschilderte Marke erreiche ich in den nächsten zwei Tagen in der Route nicht mehr und also beschließen wir ein paar Tage off zu nehmen und zur örtlichen Kletterlegende Carlos zu fahren. Er lebt in einem selbstgebauten Haus im Wald, Hexenhäuschen, mit Holzofen und ohne Bad auf einem pittoresken Grundstück am Fluss. Fünf Tage bleiben wir und ich habe die Möglichkeit eines seiner Projekte, das die örtlichen 8c-Kletterer angeblich nicht im Ansatz klettern können, zu testen. 8c+ munkelt man und es fühlt sich 3 Grade leichter an, als das Projekt in der Piedra, in das nun bereits 25 Versuche geflossen sind. Ich fühle mich sicherer, den hier noch magischen Grad von 9a auszuwerfen.

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Die Piedra in Person.

Zurück vor Ort unterläuft mir dann auch dank einer leichten Methodenänderung im besten Versuch bislang ein ganz alter Fehler: Angst. Mit sechzehn in meiner ersten 7c hatte ich zum letzten Mal die Hand zurückgezogen, selbst in meinem Meisterstück Meiose (9b) in Charmey aus dem letzten Herbst, bei dem man aus dem einzigen Klipp in der Crux auf den Boden fallen kann, war es mir nicht passiert, jetzt klettere ich mit einem unbekannten Kletterpartner und irgendwie denke ich kurz vor dem Loslassen etwas wie: „Du kannst es machen, aber du kannst auch diesen Mega-Abgang über 10m testen, der von hier oben, ohne geklippt zu haben, auf dich wartet. Und es kommen ja noch so viele gute Tage…“

Kommen aber nicht. Nein, es kommt vielmehr der Herbst. Nass, kalt, Dünnschiss. Vier Tage ergieße ich mich, wie es sich um mich herum ergießt. Nehme ab, aber werde auch schwächer. Es kommt Freitag der 13. Alles passt für einen Scheißtag. Wir haben inzwischen die Straße, die ans hintere Ende des Canyons führt, entdeckt, aber wir haben keine Ahnung, wie schlammig sie wird, wenn es regnet. Was es reichlich tut in der Nacht. Unvorbereitet biege ich um eine Kurve und finde mich reifentief im Schlamm wieder. Nur unter extremstem Schlingern und Schlittern überstehen wir die nächsten Meter, halten an, um die Lage zu eruieren, lassen unsere kleine Katze Cuzco, mit der wir seit zwei Wochen reisen, aus dem Auto, und sammeln sie in diesem ganzen Stress nicht wieder ein. Am Canyon angekommen, gibt es bis auf weitere Trocknung keinen Weg zurück, also hole ich die Katze 6km zu Fuß. Brav hat der kleine Kater gewartet, sich zurück tragen zu lassen, ist er allerdings zu stolz, und also erfahre ich in einer langwierigen Aktion, dass Katzen keine Ausdauertiere sind. Stunden später erreichen wir trottend den Bus. Im Projekt setzt sich dann der 13. fort, manifestiert sich im schlechtesten Versuch seit Tagen. Ich gebe auf. Gehe heim. Baue ab.

Ciao Piedra Parada!

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Der Herbst kommt überfallartig, die Leute aber gehen noch nicht (sie werden erst gehen, wenn quasi schon der Winter da ist – in etwa zwei Wochen)

Auch das gehört zum Leben dazu. Misserfolg. Warum auch nicht? Ist es nicht viel erzählenswerter, nach fast 30 Versuchen umzukehren, als wie immer bis zum Ende durchzuhalten? Es zieht uns noch einmal zu Carlos zurück. Wir nehmen ein paar Tage ein kleines Ferienhaus. Erholen uns vom Durchfall. Vom kalten Wetter. Schlagen Rat. Beschließen, was Jeanne schon seit Längerem gerne nicht erst im September hätte: Unsere Heimreise. Arbeiten. Nicht zusammen 100% Kinder betreuen. 8. Juni steht kurz darauf auf dem Onlineticket. Altiplano wird auf die nächste Reise vertagt, alles nördlich von Patagonien eigentlich. Auch für mich ist es okay, die Kälte zehrt, der Dreck, den der Regen in den Bus hinein trägt, meine Erkrankung natürlich.

Es ist der 15. Mai. Nach Chile können wir wegen einer fehlenden Impfung für unsere Katze nicht, hier in der Gegend um die kleine Hippie-Hochburg El Bolson, in der auch schon der Erfinder des LSD Albert Hofmann eine Kommune eröffnete, haben wir im letzten Monat viele Freunde gewonnen. Es gibt jede Menge anderer Boulder- und Klettergebiete. Nicht zu vergessen Bariloche ein bisschen weiter im Norden. 150km. Keine Distanz für die patagonische Weite. Also beschließen wir hier zu bleiben bis eine Woche vor dem Abflug und dann langsam die Reise nach Norden anzutreten. Und wenn wir schon hier sind, warum dann nicht noch einmal zurück an die Piedra?

Der Herbst hier war kurz, als wir jetzt bei zumindest trockenem Wetter eintreffen, ist er bereits vorbei. Nur noch die Weiden kleiden sich in schütterem Rot, alles andere laublos, lautlos, kaum noch jemand im Camp. Tief hängen die Wolken. Endzeitstimmung. Es macht keine Lust zu bleiben, für die nächsten Tage soll es aber immerhin aufklaren. Wir werden sehen.

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Hier entsteht ein Kuchen.

Ich fühle mich leicht, der Durchfall hat mich ausgezuzelt, aber wieder gesund, der Grip verspricht Besserung, als wir am nächsten Morgen ans hintere Ende des Canyons fahren. Die Straße ist trocken, verkrusteter Schlamm erinnert an unsere Odyssee eine Woche zuvor. Aus der Calavera, dieser finsteren Seitenschucht des Hauptcanyons, in dem sich das Projekt befindet, weht kühler Wind hervor. Die Sonne, die sich jetzt tatsächlich entschieden hat, den Himmel zu schmücken, kommt hier im Mai nicht einmal mehr annähernd zum Boden herab. Nur wenige Meter stehen die Wände voneinander entfernt, darüber der fahlblaue Himmel. Nicht nur zum Fotografieren ergeben sich daraus höchst schwierige Bedingungen, selbst das Anvisieren der Griffe im Gegenlicht ist vor allem an der Crux nicht ganz einfach. Besonders der schwere, weite Zug aus dem kleinen Dach heraus an eine Lochleiste, die man sehr genau treffen muss, scheitert immer wieder am dahinter liegenden Himmel.

Azul es el cielo de los ciegos. Blau ist der Himmel der Blinden. Mein Routenname für den Fall einer Durchstieges steht fest. Klingt wie Paulo Coelho, sollte eigentlich aber nur die Belichtungsverhältnisse beschreiben und enthüllt jetzt, da der Winter hereingerollt kommt, doch eine tiefere Wahrheit: Nur wer den blauen Sommer durchwatet und den noch immer schönen Herbst, wird sehen, wie das Leben hier wirklich ist, in mitten der Pampa. Karg, grau, einsam müssen die Gauchos sich fühlen. Einsamkeit spiegelt sich in ihren Augen. Ich fühle mich Gaucho, als ich die Exen wieder in die Route hänge, alles noch einmal putze. Die Feuchtigkeit der letzten zwei Wochen muss aus den Griffen heraus. Nur wer das Blaue des Himmels durchwatet wird ernten. Perfekt sitzt der Grip unter den Fingerkuppen.

Im Grunde genügt es eins und eins zusammen zu zählen, um zu errechnen was mich im ersten Versuch des Tages erwartet. Mit mehreren Ruhetagen im Rücken, ein paar Kilo weniger, mit meiner vertrautesten Sicherin auf dem Boden: Der Durchstieg.

Still jubele ich, Aliénor schläft unten auf den Steinen der Schlucht. Erleichterung droht die Freude zu erdrücken. Aber so ist es nun einmal, wenn man so unnatürlich lange an einer Zahl festhält. Weit über die Lust und die Kapazitäten seiner Lieben hinaus. 9a. Nicht meine erste, die zehnte Route im 9. Grad vielmehr, bei weitem nicht meine schwerste. Trotzdem ein Kampf. Über dreißig Versuche. Immer wieder denke ich an ein Plus, oder ein halbes, aber etwas in mir weigert sich. Es sind die Mühen der Reise, der Stress für den Körper und jener für den Geist in der Fremdheit zu weilen. Des scènes bizarres dans la mine d’or im Jansegg in der Schweiz, 9a+, erscheint dann doch um einiges schwerer. Schluss mit den Gedankenspielen.

Kaum finden wir tags darauf jemanden um mich zum Filmen zu sichern. Zwei letzte Kletterer sind noch mit uns im Camp. Als wir nach getaner Arbeit zu unseren Crashpads zurückkehren, sind diese weg. Gestohlen in einem Land, in dem man doch im Grunde nicht stiehlt, oder aufgeräumt. Vier Matten, die wir für die Fortsetzung der Reise dringend benötigen, vor allem da man hier diese Ausrüstung gar nicht bekommt. Wir wollen in Gualjaina, dem einzigen Ort 45km weiter Richtung Anden, nach dem Ranger fragen, der immer wieder durch das Camp kommt. Wir finden ihn nicht, dafür per Zufall einen Flusswart, der gerade in der Tankstelle sitzt und unsere Pads weggeraümt hat. Das Glück in allen alltäglichen Problemen dieser Reise bleibt und treu.

Auf also noch einmal nach Epuyen, ins Carlos’ Hexenhäuschen. Zwei Wochen bis zum Abflug nach Hause. Wir werden unser Alltagsglück noch einmal stark strapazieren.

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Der Canyon von oben.

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