Die in vielerlei Hinsicht krasseste Reise meines Lebens zu einer buddhistischen Hochzeit auf knapp 4000m in Indiens hohem Norden. Bouldern, Trekken, Feiern. Vor allem aber: Die Kinder – damals null und drei – heil wieder nach Hause bringen. Fünf Wochen können sich dehnen. Weiter als die Bergen hier hoch sind. 7000m der Nun. Eine Pyramide aus Eis, zu schön, um ihm den Rücken zu kehren. Aber unerreichbar für uns.

Wie vieles in diesem Land.

Nicht gemacht für europäische Mägen, Gemüter, Material. Das endgültige vorzeitige Ende unserer eigentlich auf zehn Wochen ausgelegten Reise besiegelt ein Yak, das auf der Suche nach Nahrung unser Zelt niedertrampelt.

Zelte kann mir hier leider nicht kaufen.

Zu diesem Zeitpunkt liegen wir aber ohnehin schon seit neun Sekunden mit dem Kreuz auf der Matte. Die Kinder übergeben sich jede Nacht ins Zelt, wir haben zusammen wohl 15kg Gewicht verloren, Bakterien besiedeln uns, wo immer unser Immunsystem eine Schwachstelle zeigt. Also inzwischen auf praktisch allen Flanken. Unter den Fingernägeln. Jeder Move tut weh. Jeder nächtliche Gang auf die Toilette erfüllt uns mit der latenten Angst allein zu sein mit dem Bären, dessen Spuren wir ein paar Tage zuvor gesehen haben. Das nächste Dorf: 8km zu Fuß.

Wir haben nur die Füße. Und 100kg Gepäck. Wir trampen, weil uns unsere Gastgeber, das Schweizerisch-Zanskarische Hochzeitspaar, als einzigen Gäste kein Jeep-Taxi organisiert hat. Sie – ihres Zeichens Ärztin – sicherte uns zudem zigmal zu, auch mit den Kindern bestünde kaum ein mit dem Rest des Landes zu vergleichendes Gesundheitsrisiko in ihrem Tal.

Aber was ist schon Information in einem Land, in dem die Vorsilbe Des- vor 70% ebenjener gesetzt werden muss.

Nicht dass dies alles hier im Grunde auch immer ein Traum ist. Bizarr in seiner Schönheit, unverstellt in den Kulturen zwischen Buddhismus und Islam, abgefahren in ihrer Art zu zelebrieren. Diese Menschen. Schön, dass es noch etwas anderes gibt als Westen auf dieser Welt.

Aber auch wenn die Blockfelder so unbegrenzt wie die Gastfreundschaft erscheinen, der Sternenhimmel so groß wie die Wechsel in der wilden Berg- und Wüstenlandschaft, bleibt alles letzten Endes unberührbar.

Will man nicht für jeden echten Kontakt bezahlen. Ist er auch noch so kurz.

Wir essen mit Lastwagenfahrern aus den gleichen Töpfen köstliche Fleischgerichte am Straßenrand. Wir siedeln inmitten von Wanderarbeitern, die westliche Frauen nur aus Pornos kennen und sich dementsprechend verhalten. Wir laufen 12km mit den Kindern auf dem Rücken auf 4000m Höhe von unserem Zelt ins Dorf. Auf der Suche nach trinkbarem Wasser verschwinden wir fast in den Fluten des reißenden Suru-Flusses.

Jedes Mal sind wir hinterher um einen Traum reicher, den wir unser Leben lang wohl nicht vergessen werden. Oder eben ein Trauma. Oder ein neues Bakterium, das uns ebenfalls noch Jahre lang immer wieder besuchen wird. Von tief in uns drin.

Auch der Magen-Darm-Trakt hat seine Träume.

Nach knapp vier Wochen eröffne ich den schwersten Boulder Indiens. Direkt nach dem Filmen bringen wir das komplette Gepäck und die Kinder in vier Läufen rennend den halben Kilometer zur Straße, auf der für uns ein Lastwagen angehalten hat.

Danach kollabieren wir innerlich.

Und dann kommt das Yak.