Nach zehn Tagen Chilóe, dem ersten bevölkerten Ort in drei Monaten fliehen wir schnell zurück in die argentinische Ödnis. (Versuch einer grünen Reise, Kapitel 14 , 17.03.16 – 01.04.16)

Chiloé ist das Anti-Kletter-Mekka. Flach, grün, die Boulderhalle ist in einem niedrigen Wohnraum verbaut. Trotzdem und vielleicht deshalb ist es irgendwie Party. Vielleicht auch weil Jeanne ihre erste positive Antwort von einem Krankenhaus aus Südbayern bekommt. Vielleicht auch, weil sie dort das unbeschwerteste halbe Jahr ihres Lebens vor heute genau zehn Jahren verbrachte. Wir essen Burger und trinken Bier. So ist das Leben in Chile. Anders wäre irgendwie schwer.

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Überfahrt nach Chiloé und Seevögel auf den letzten Bänken die die Flut noch lässt.

Das Auto darf auch einmal zum Arzt. Vor allem brauchen wir zwei neue Abblendlichter ohne die unsere nächtlichen Pistenfahrten der letzten Tage bei Gegenverkehr immer ein bisschen kriminell dunkel erschienen. Am Ende zahlen wir 400€ für alles mögliche, nur die Lichter vergisst der nette Herr von der Werkstatt. Außerdem kommt alles viele Tage später als erwartet und die neuen Reifen, die er aufziehen wollte, liefert er nackt vor die Haustüre an. So läuft es hier eben, unpraktisch ein bisschen, vor allem später dann, an der argentinischen Grenze, über die man nichts schmuggeln darf.

Ansonsten ist Chiloé schön, dichte, niedrige Wälder, offener Pazifik und zum ersten Mal seit Monaten dichtere Bebauung, Jeannes ehemalige Gastfamilie, die uns auch jetzt wieder aufnimmt, viel zu freundlich. Ihr erklärtes Ziel (vor allem des des Vaters): uns auf seinen Leibesumfang mästen. Eine Woche reicht nicht ganz, um uns dahin zu bringen, aber ein, zwei Kilo schafft er zumindest.

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Weltkulturerbe. Holzkirchen auf Chiloé.

Wir besichtigen Kirchen von weltkulturlichem Ausmaß und ob der schlicht genialen Holzarchitektur werde ich beinahe Katholik. Holzbauten sind ohnehin der Pluspunkt der Insel und die großen Märkte am Hafen. Ansonsten für einen Kletter aber wie gesagt nicht viel los.

Am Lago Ranko ein paar Stunden nördlich soll es dagegen Wände geben, auf dem Weg begegnen wir auch dem magischem Cerro Osorno wieder, der im jahrhundertheißen Sommer 2016 seine weiße Kuppe fast ganz verloren hat. Auch im Lago Llanquiwe baden wir wieder. Die Silvesternacht haben wir an seinen Ufern verbracht, jetzt ist Ostern, knapp drei Monate, aber eher ein patagonisches Leben. Seine Weite und die spätsommerlich braune Vegetation an seinen Ufern greifen von neuem nach uns. Sommer, wie wir ihn kennen. Heiß, mit Insekten, kaum noch Wind. Ein bisschen Heimat.

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Foto von Jules 🙂

Der Lago Ranko selbst dann fast ebenso schön, seine Felsen auch irgendwie nett. Ein Wiedereinstieg nach fast drei Wochen Kletterpause. Ostereier unter dem Vulkan und schon sind wir wieder nach Argentinien unterwegs. Bariloche.

Die Fahrt über die Anden ist knietief von Asche bedeckt, die Bäume surreal tot, kahl. Grau liegt die Landschaft dahin. Grandios die verstorbenen Stämme. Hinter dem Hauptkamm, wieder im Leben, dasselbe in grün. Wann habe ich je solche Wälder gesehen? Vermutlich noch nie. An der Grenze nehmen sie uns ein paar Steine ab, die wir doch aus Argentinien haben, die Reifen billigen sie, die Sitzbank, in der unsere gesamten Nahrungsmittelschätze lagern, nehmen sie uns als nicht zu öffnen ab. Glück gehabt. Hinter der Grenze schenken Reisende den Kindern Obst und Gemüse. Die beiden könnten sich eigentlich selbst ernähren.

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Seelöwen auf der Westseite der Insel.

Villa Llanquin heißt das Nest, das mir ein Freund zum Bouldern empfohlen hat. Unklar warum. Es gibt keine Blöcke, nur Wände aus Löchern. Und wieder Wildnis. Endlich. Ein Platz für uns alleine, ein Bach, Sonne und zum ersten Mal Frost. Nachts. Wir bleiben ob der vulkanischen Landschaft, und finden im hintersten Canyon sogar noch ein paar Boulder. Wechselhaftes Gestein, aber Licht wie aus einem anderen Stern zwischen den reflektierenden Wänden der Schlucht. In drei Tagen mache ich eine etwa 8B/8B+ Traverse. Die Form kommt schnell wieder. Der Körper erholt, der Kopf motiviert. Nur wir vier und viel weniger Stress als im Haus der Familie, in der die Kinder alles in Schutt und Asche legten.

Es ist, als fühlten wir im Kleinen vor, was uns tags darauf ganz unerwartet erwartet im Süden, in den wir doch gar nicht mehr fahren wollten: Piedra Parada. Das erste Paradies dieser Reise.

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Ebenfalls berühmt. Die Pfahlbauten der Hauptstadt Castro.

 

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