Von der Wüste in den Regenwald. (Versuch einer grünen Reise, Kapitel 13 , 10.03. – 16.03.16)
Dunst heißt das Ende der Steppe. Zwei Monate Trockenheit, kein Tropfen Tau des Nachts, nicht einmal am Meer, immer nur Wind, meist Sonne und bescheidene Pflanzen, verworrene Eichen das höchste an uns bekannter Flora. Sonst nur das Gold Patagoniens. Die ewige Pampa.
Sie ist es, die uns von Chalten wegführt, nach Norden hinauf, einmal fällt sie ins Rosarot, Felsen am Straßenrand, ansonsten bleibt sie sich treu. In Los Antiguos fährt dann schon wieder der Hut Patagoniens etwas höher durch Wipfel veritabler Bäume, Heimat macht sich in den Gefühlen und Assoziationen bemerkbar. Wir überqueren die Grenze, eigentlich wollen wir in Chile Chico die Fähre nehmen, aber die ist schon weg, zu viel Zeit vergeht in der hier zum ersten Mal pingelichen Zollkontrolle, bei der es auch unserem Baum, dem viermaligen illegalen Granzüberschreiter, an den Kragen geht. Keine Lust zu warten und so schlimm wird die Piste, die den Lago Carrera südlich über gut hundert Kilometer begleitet, schon nicht sein.
Wir packen zwei der zwanzig Tramper, die nicht aus Chile Chico wegkommen, ein und los geht die Fahrt unseres Lebens. Der See ist von einem durch Gletschersedimente bedingten Blau, wie ich es bislang nur von Photoshop kannte. Die Landschaft gewinnt stark an Relief, die Gesteinsarten wechseln im Minutentakt zwischen Balsalt, grünspanigem, kupferhaltigem Irgendwas, Granit, Sedimentgesteinen, Kalk und Marmor hin und her, die Farmen schmiegen sich wie Oasen an den Rand der Straße und das Gold des Landes blendet uns im Gegenlicht. Ich fahre 100km/h über Lehm. Schießen, fliegen, wie soll ich sagen? Muss ich etwas sagen. Es ist die Etappe dieser Reise. Der Regen spaltet sich und macht eine Platz für eine Woche weiter schönes Wetter. Sommer. Und eben die Feuchtigkeit.
Die Anden spielen hier den Richter über Leben und Halbtot, fruchtbarer Regen oder windaride Trockenheit, weil sie längs der Straße stehen. Mit jedem Kilometer, den wir jetzt Berge und Pässe überwinden, wird das Land grüner. Einen halben Tag an den Marmorhöhlen am nördlichen Ufer, dann fliegen wir schon ohne Abblendlicht durch die erste echte Stadt seit Puerto Montt an Neujahr, Cohaique, und sind zurück im Grün der Pazifikküste. Jules wird vier, ein Tag ohne Straße, und wir werden eingeladen ins Haus eines Exilfranzosens und an seinen Fluss. 25° und Kuchen von Gaskocher. Perfekt. Ein einziges Geschenk (eine Dartscheibe) und trotzdem Glücklichkeit.
Eine weitere Nacht am See, dann sind wir beinahe wieder da, wo wir auf dem Weg nach unten eine wunderbare Woche lang auf unsere Pässe warteten. Futaleufu, la Palena. La Junta, nur 30km weiter südlich auf der Carretera Austral. Wir finden eine Fähre nach Chiloe zwei Tage später. 20km östlich. Wir haben also Zeit. Der kalte Regenwald treibt es am Rio Palena immer wilder. Die Blätter der xxx Pflanze werden über einen Quadratmeter groß und ich vergehe mich einen halben Vormittag lang nur an einer dieser Pflanzen. Ein Wald, den man kaum drei Meter tief ohne Weg und ohne Wegbereiter (Machete z.B.) begehen könnte und ein Fluss größer als die Elbe im Unterlauf. Jules und ich bauen ein Segelschiff, das ihn tatsächlich in der hier bereits vom Meer her eindringenden Flut einmal komplett überquert. 400M oder so.
Die Langsamkeit hat uns zurück, wir jagen Kolibris mit dem 600mm Tele und setzen tags darauf ins Kaff der Käffer (über den Fluss) über: Puerto Raul Marin Balmaceda. Das Ende aller Hektik. Freiden, wie uns eine aus Santiago emigrierte Mutter am Spielplatz erläutert. Sie ist Bachblütentherapeutin. Oder etwas gleichbedeutendes. Wir würden gern erst das nächste Schiff in einer Woche (statt am selben Abend) nehmen, aber so cool sind wir dann doch nicht. Der Wald trägt hier wieder die Farbe der roten Stämme (xxx), die wir bereits vom Futa kennen und schluckt uns auf einem Weg in die Dünen. Ich freue mich auf Chiloe, wo er ähnlich sein soll.
Auf der Überfahrt verfolgen uns zum zweiten Mal nach Casablanca (fühlt sich an wie eine Weltreise, nicht geflogen zu sein) Delfine und die Bilder der Sonne, wie sie längst im Meer versunken ist, erinnern mich ebenfalls an eins der ersten Fotos dieser Reise aus der Adria. Bald vier Monate ist das jetzt her und fühlt sich doch wie ein halbes Leben an. Wir sind angekommen im Modus des Reisens für den Augenblick, nur mit Mühe setze ich mich noch an den Rechner, Aufträge will ich am liebsten gar keine mehr bis zum Ende. Dieses Land ist einfach viel zu schön, um es nicht bis zum letzten auszutrinken.